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Beitrag vom 29.10.2018
Neko Case - Hell-On
Christina Mohr
Noch aus dem größten Pech einen tollen Song machen: Das ist die besondere Stärke der amerikanischen Singer-/Songwriterin Neko Case, die Anfang November für zwei Konzerte nach Deutschland kommt. Das Cover von Neko Case´ aktuellem Album "Hell-On" finden viele Leute schrecklich – aber die Künstlerin verarbeitet ...
... im Artwork, das sie mit bizarrem Kopfschmuck aus Zigaretten und brennendem Haar zeigt, einen ganz realen Vorfall
Als sie vor gut einem Jahr in Stockholm an den finalen Aufnahmen zum neuen Album arbeitete, erreichte sie ein Anruf, dass ihr Haus in Vermont in Flammen stünde – sie konnte aus der Ferne nichts tun, erleichtert erfuhr sie, dass ein Nachbar glücklicherweise ihre Hunde in Sicherheit gebracht hatte. Materielle Schätze und das historische Haus verbrannten, aber verglichen mit den vielen Menschen, die in den vergangenen Jahren in den USA ihr Leben bei Bränden und Naturkatastrophen verloren, empfand Case die eigenen Verluste zwar als schmerzlich, aber auch nicht als essenziell. Wenige Stunden nach dem Feuer ging Case ins schwedische Studio zurück und schrieb den Text zu "Bad Luck", einer sehr lebendigen Ode an diese Tage, an denen es eben schlecht, sehr sehr schlecht läuft.
Dass die 1970 in Alexandria, Virginia geborene und in Kanada aufgewachsene Musikerin eine begnadete Geschichtenerzählerin ist, offenbart sich in jedem Song von "Hell-On": Mal gruselig ("Curse of the I-5 Corridor"), mal geheimnisvoll ("Oracle of the Maritimes") oder unangenehme Familienmitglieder beschreibend ("My Uncle´s Navy"): Case zieht ihre Hörer*innen sofort in Bann – was vor allem an ihrer glockenklaren Stimme liegt, deren Reiz sich frau nicht entziehen kann.
Neko Case verlässt sich aber nicht allein auf sich: Die Gästeliste von "Hell-On" verzeichnet viele illustre Namen, unter anderen K.D. Lang, Laura Veirs, Mark Lanegan, Björn Yttling (von Peter, Bjorn and John – die Schweden-Connection!), Eric Bachmann, Mitglieder der New Pornographers, und am Herausstechendsten Beth Ditto, mit der sie gemeinsam das sich in ekstatische Höhen schraubende "Winnie" singt. "Hell-On" lebt in erster Linie von den verschiedenen Stimmen, die jeden Song einzigartig machen – aber auch musikalisch ist das Album äußerst abwechslungsreich geraten: Neko Case spielte in ihren früheren Bands Schlagzeug, die Begeisterung für alles Perkussive ist noch immer spürbar. Auch wenn Case´ Musik vorwiegend im soften Spannungsfeld aus Country, Folk und klassischem Pop der Güteklasse Fleetwood Mac changiert, spielt das Schlagzeug doch in fast jedem Song eine wichtige Rolle – was den Stücken bei aller Mainstreamtauglichkeit knackigen Biss verleiht.
Natürlich wünscht frau Neko Case keine weiteren Katastrophen – ein abgebranntes Haus genügt vollkommen -, aber weiterhin einen aufmerksamen Blick für gute Geschichten, die sie in neue Songs gießen kann.
AVIVA-Tipp: Neko Case ist nicht nur eine exzellente Singer-/Songwriterin, sondern auch eine faszinierende Performerin. Im November gastiert sie mit ihrem achten Studioalbum leider nur in Köln und Berlin – wer in der Nähe ist: Hingehen!
Neko Case im Netz: nekocase.com
Neko Case
Hell-On
CD, 2018, 12 Tracks, Anti-Records / Indigo
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